Hummus


Palmyra*



Zutaten
  • Eine große Dose gekochte Kichererbsen
  • 5 EL Olivenöl
  • 4 EL Sesampaste (Tahina)
  • 3 EL Zitronensaft
  • ½ TL Kreuzkümmel, gemahlen
  • 1 Knoblauchzehe
  • Zur Dekoration 1 TL Bul Piper (beim Türken bekannt als „mit scharf“) oder   Paprikapulver

Hummus gehört zu Syrien. Das behaupten wir jetzt einfach. Wahrscheinlich gibt es den Kichererbsenbrei auch bei Edeka im Kühlregal oder beim Libanesen zur Falafel. Und ganz sicher beim Sommerfest der Deutschen Katholischen Gemeinde in Paris.
Für uns soll Hummus aber an Syrien erinnern. An die Grabtürme von Palmyra, die über die Stadt der Lebenden wachten. An die atemberaubenden Gerüche auf dem Busbahnhof von Homs. An den mit Kardamom gewürzten Kaffee bei der Umayyaden Moschee. Aber auch an den jungen Soldaten in seiner viel zu großen Uniform, der uns freundlich zunickte während er mit der Kalaschnikow hantierte und scheinbar das Land befriedete. An eine alte Frau, die uns Kichererbsen mit Kreuzkümmel kosten ließ. Irgendwo im kleine-Leute-Viertel am Rande von Damaskus, dort wo heute gestorben wird. Als "Bedouin Food" (für die Spätgeborenen: Zitat aus Lawrence of Arabia) ging die Speise in unsere Familiengeschichte ein. Und schließlich denken wir an den Souk von Aleppo wo wir für unbestimmte Zeit in einem orientalischen Traum versanken, der bis heute nachwirkt wo alles Wirkliche doch vergangen ist.
In Aleppo bezogen wir ein bescheidenes Hotel in der Neustadt. Das Badezimmer war außerordentlich klein, was Reisende, die eben erst der Backpackerei entwachsen waren, nur wenig störte - sich aber noch als nützlich erweisen sollte. Zum Abendessen stiegen wir ganz in der Nähe auf eine Dachterrasse, wo im warmen Abendwind die Einheimischen beisammensaßen. Die Speisekarte war reichhaltig - über mehrere Seiten auf Arabisch beschrieben. Als wir freundlich nachfragten, was es denn Gutes gäbe kam die Antwort "Lamb Kebab and Hummus". Wie gestern. Und wie an den Tagen zuvor. Der schweigsame Kellner war zu keinen Zugeständnissen zu bewegen und so aßen wir bald darauf etwas beleidigt unser syrisches Standardessen.
In den Morgenstunden klagte meine Begleiterin über Magenkrämpfe und  - vorsichtig ausgedrückt  - allgemeine Übelkeit. Hier erst wurde uns die Funktionalität des kleinen Badezimmers bewusst: die räumliche Nähe von Toilette und Waschbecken erlaubte eine fast spurlose und synchrone beidseitige Körper-Entleerung. Am Hummus wird es nicht gelegen haben.


Die Kichererbsen abgießen; einen Teil der „Soße“ aus der Dose und ein paar ganze Kichererbsen für die Dekoration aufbewahren. Alle Zutaten in den Mixer geben und solange mixen bis eine cremige Substanz entsteht. Von der abgegossenen Kichererbsensoße dazugeben bis die richtige Konsistenz erreicht ist. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Immer wieder spannend ist es, die richtige Balance der Zutaten herauszufinden. Die obigen Angaben sind nur Anhaltspunkte. Ansonsten gilt: nach Gefühl, immer wieder anders, aber immer gut!



*Als die Bilder vom Bürgerkrieg in unser Wohnzimmer flimmerten wollten wir unsere Reiseerinnerungen wieder auffrischen. Die Suche nach den Fotos verlief erst hoffnungsfroh, dann verzweifelt und endete verbittert: das Suchen war vergeblich und es schien, als wäre mit den Menschen und Stätten auch unsere Erinnerung versunken. Dann aber erstanden die Bilder wieder neu, im Kopf, ganz ohne Hilfsmittel, losgelöst von allem Dinglichen - vom Hummus einmal abgesehen.

Marzipanschnitten

Driving home for Christmas – gerne auch mit der Bahn


Für den Teig
  • 500 g Mehl
  • 250 g Puderzucker
  • 75 g Kakao
  •  2 Eier
  • 350 g Butter
  • 2 EL Rum
  • 1 TL Zimt
  • 1 Prise Salz

Für die Füllung
  • 125 g Marzipan
  • 1 Eigelb (oder ganzes Ei, wenn Flüssigkeit fehlt)
  • 100 g Mandelsplitter
  • Ein paar EL Rum, je nach Belieben.

Rum und Puderzucker für die Glasur.

Geschichte
Beim Thema Weihnachtsgebäck dauert die Kindheit besonders lange. Das Fest und alles was dazugehört ist ja auf die Ewigkeit hin angelegt. Kinder spüren so etwas. Vielleicht ist es gerade der aus Kinderperspektive fast unendlich lange Rhythmus eines Jahreskreises, der sich zu einer felsenfesten Gewissheit formt: Weihnachten ist zwar selten, aber Weihnachten kommt wieder und mit ihm die Funken sprühenden Wunderkerzen, das dreibeinige Schaf an der Krippe - und eben die  Marzipanschnitten.

Mit den Jahren wird die gefühlte Zeit bis zum nächsten Fest kürzer, der Zauberfaktor erreicht seinen Tiefstand, die Lieblingskekse aber bleiben. Es folgt das erste „driving home for Christmas“: richtig zuhause ist man erst, wenn man die Marzipanschnitten - dunkel, kantig, mit glänzender Rumglasur - in der Tiefe einer Blechschachtel entdeckt hat und behutsam „reservieren“ konnte, damit sie nicht etwa weniger nostalgischen Zeitgenossen zum Opfer fallen. So vergehen zwei Jahrzehnte. Irgendwann fährt man nicht mehr „nach Hause“, sondern „dieses Jahr zu meinen Eltern“, und wieder Jahre später „zur Oma“. Ob es wohl Marzipanschnitten gibt?,  war anfangs die bange Frage. Aber klar doch, sonst wäre ja nicht Weihnachten! Die Oma kommt nicht mehr so viel aus dem Haus, die Bandbreite der Keksauswahl wird kleiner, aber man sollte den mütterlichen Instinkt nicht unterschätzen: die Mutti kennt die Lieblingskekse ihrer Kinder.

In all den Jahren wären wir nie auf die Idee gekommen, die Plätzchen selbst zu backen. Erstens sind  mütterliche Rezepte uncool oder unverdaulich für die glutenfreie Freundin. Und zweitens gibt es für Lieblingskekse ja im Eigentlichen gar kein Rezept sondern sie sind Teil einer unvergänglichen Inszenierung. Die kann man nicht einfach nachbacken wie die banalen Vanillekipferl oder Ausstecher, deren Backmischung wir im Notfall noch googeln können wenn wir mit der Schürze am vorgeheizten Ofen stehen. So dachten wir.

Erst jenseits der Vierzig ergreift uns eine Ahnung von der Endlichkeit des Weihnachtsgebäcks. So wird langsam bewusst, was wir lange verdrängt haben: dass das unendliche Lebensrad aus Umläufen besteht, wobei jeder für sich genommen vergänglich ist und dass es daher jetzt an uns ist, den Lieblingskeks im kollektiven Familiengedächtnis zu bewahren. Etwas einfacher ausgedrückt:  der Sohn hat uns so lange genervt, bis wir ihm versprachen, dass dieses Jahr auch die „Oma-Kekse“ aus eigener Produktion in der Blechdose landen.

Schon im Sommer scannen wir also eine Rezeptseite, die gestalterisch aus den schrägen Siebzigern kommt, allerdings eher aus der Burda-Ecke. Beim ersten Lesen ahnen wir bereits, dass es schwer werden wird. Im Advent schreiten wir zur Tat. Vom Kneten erschöpft, streicheln wir mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Stolz über den kakaobraun glänzenden Eins-Komma-Drei-Kilo-Mehl-Butter-Zucker-Ballen, verzweifeln als wir denselben in akkurate Rechtecke wellen wollen, und spachteln meditativ die zähe Marzipanmasse auf das teigige Fundament. Gottseidank gibt es ein reaktives mütterliches Helpdesk, das über kritische Situationen hinweghilft – und Tage später die ersten Marzipanschnitten der neuen Generation probieren darf. Vielleicht war ja auch sie beruhigt zu wissen, dass es weitergeht. Irgendwie. Auch ohne sie.

Es kommt das erste Jahr ganz ohne Helpdesk. Zumindest ist es nicht mehr irdisch, jedoch in manchen Momenten noch zu spüren. „Mit der Mutter geht unwiederbringlich die Kindheit“, sagte eine Bekannte beim Abschied. Das nahmen wir zur Kenntnis. Richtig bewusst wird es aber erst, als wir die ersten Marzipanschnitten aus dem Ofen nehmen.

Rezept
Butter, Eier, Zucker cremig rühren, übrige Zutaten unterkneten. Teig eine Stunde kalt stellen.

Marzipan, Eigelb, Mandeln und Rum mischen. Die Hälfte des Grundteiges ½ cm dick ausrollen und mit der Marzipanmasse bestreichen. Die 2. Hälfte im gleichen Format ausrollen und auf die erste Hälfte legen. (An dieser Stelle bitte nicht verzweifeln). Ränder zusammendrücken. Bei 180° 20 Minuten backen. Danach mit Rumglasur bepinseln. Erkaltet in Quadrate schneiden. 

Spätzle



  • 500g Mehl
  • 5 Eier
  • ½ Teelöffel Salz
  • Ungefähr 200 ml Wasser
Es geht nicht eigentlich um das Rezept. Man kann kühn mit Muskatnuss und Maggi-Würze experimentieren oder leidenschaftlich über die Beimischung von Mineralwasser und Öl diskutieren - letztlich verrührt man lediglich Mehl mit Eiern, Salz und Wasser und braucht etwas Erfahrung, um die richtige Beschaffenheit zu erreichen.
Die Frage ist jedoch, ob Spätzle überhaupt zeitgemäß sind? Ob sie noch als Alltagsessen taugen, oder schon so eine Art heimische Erlebnisgastronomie geworden sind, bei der man einmal im Jahr, etwas nostalgisch verklärt, die Spätzle-Utensilien hervorkramt, und sich vor der Familie produziert? Als schwäbische Analogie zum messerschwingenden Sushi-Künstler, sozusagen. Um dann aber, der mangelnden Erfahrung wegen, doch etwas ängstlich ans Werk zu gehen, und heimlich schon die Aufräumarbeiten fürchtend. Mit Recht! Tage später muss man noch den hartnäckigen Mehl-Wasser Klebstoff an den unglaublichsten Orten abkratzen.
Die Zweifel reichen aber noch weiter. Schon die Frischeinudel aus der Tüte findet in unserem beschleunigten Tagesablauf nicht immer die notwendige Duldsamkeit. „17 -18 Minuten Kochzeit“ steht da wohlversteckt auf der Packung. Allzu oft verziehe ich nervös den Mund, und greife zu dem blauen Päckchen mit „cottura 8 minuti“. Das sind über 50% Effizienzsteigerung! Davon kann ich während des Bürotages nur träumen. 
Dann kommt allerdings der kleine Sohn, der fern von Schwaben aufgewachsen ist, aber mit solcher Inbrunst nach Spätzle verlangt, dass ich mich frage, auf welchen verwinkelten Wegen sich diese Begeisterung für hausgemachte Teigwaren ins kollektive Familiengedächtnis geschlichen hat? Vielleicht waren es die Erzählungen?

  
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Die Taste aus Bakelit sprang krachend aus ihrer Raste und das Wunschkonzert verstummte. Das Radio auf der Anrichte hatte einen eleganten hölzernen Rahmen, der Lautsprecher war mit einem grob gewobenen Stoff bespannt, und auf einer hellen Milchglasscheibe konnte man den Kurzwellensendern bis hinter dem Ural nachforschen. Jetzt war nur noch das langsame metallische Ticken der Standuhr zu vernehmen. Es klang als ob etwas Behütendes anwesend wäre. Solange die Standuhr tickte konnte man nie ganz alleine sein. So empfand ich es zumindest, wenn ich mitten in der Nacht im ungeheizten Gästezimmer erwachte und unter dem vertrauten Takt schnell wieder einschlief.
In der Zimmerecke stand frei der große Kachelofen und strahlte seine wohlige Wärme in den Raum. Im Ofenrohr wurden tagsüber die schweren kupfernen Bettflaschen gewärmt, und am Abend nach einem liebevollen Plan in kleinen Schritten unter den klammen Federbetten verschoben, um eine möglichst große Fläche zu wärmen. Das Fenster ging auf die gekrümmte Hauptstraße der kleinen Stadt und am Horizont konnte man schon die Fichtenwipfel einer nahen Anhöhe ausmachen. Die Standuhr schlug zweimal mit ihrem etwas verstimmten Geläut. Es mochte gegen halb zwölf sein. Essenszeit. Die Großmutter streckte kurz den Kopf zur Tür herein, „Ich hab noch Braten von Gestern, was möchtest du denn dazu? Spätzle oder Kartoffeln?“ Reis gab es bei meiner Großmutter nicht. Die Reiskörnchen, so hatte sie entschieden, passten nicht in ihren zarten Schlund, und hatten tatsächlich schon ein paar Mal beeindruckende Verschluckanfälle ausgelöst. Diese strenge reisfreie Diät hat sie bis ins hohe Alter durchgehalten, um sich, als sie schon weit über Hundert war, eine Existenzfrage ganz eigener Art zu stellen: „Ich bin nur gespannt, an was ich mal sterben werde?“.
Spätzle also. Was folgte war ein Akt der Essensbereitung, wie er harmonischer und authentischer kaum sein könnte. Da wandelten sich die ursprünglichsten Zutaten wie einem inneren Gesetz folgend zu einer Speise, die einfach nur stimmig war und anders eigentlich gar nicht sein konnte: Einen Becher Mehl abmessen, zwei Eier aufschlagen, mit spitzen Fingern gesalzen und aus dem Gefühl heraus solange Wasser einrühren, bis der Teig genau so vom Löffel lief, wie es überliefert worden war.
Die alte Frau hatte wunderbar weiche Arme, und ihre helle Haut war von feinen Fältchen übersät, fast wie Krepppapier. So zart war sie in ihren letzten Jahren geworden, dass ich manchmal nach ihrem Arm gegriffen hatte und plötzlich fürchtete, sie könnte vergehen. Jetzt aber stemmte sie die Teigschüssel in die Hüfte, packte mit gespannten Sehnen fest zu und begann energisch den Teig zu schlagen bis sich Blasen bildeten. „In die Spätzle gehört Armschmalz, sonst wird es nichts.“, sagte sie lachend.
Im diesem Haushalt gab es natürlich keine Spätzlepresse, und schon der abgeschrägte Spätzlesschaber mit dem aufgerollten Blechgriff wurde als neumodisch beargwöhnt. Die Großmutter nahm ein schweres Küchenmesser, wiegte es begutachtend im Handgelenk. Dann strich sie eine Portion Spätzlesteig auf das Handbrett, tauchte das Messer ins kochende Wasser, und streifte mit sicheren Bewegungen feine Teigröllchen in den brodelnden Topf. Im schnellen Takt folgten die Abwärtsbewegungen und dann kam wieder ein eleganter, langgezogener Aufschwung, der die Teigmasse in der richtigen Stärke neu auf das Brett zog.
Die gegarten Nudeln erschienen an der Oberfläche des Strudels, wurden aus dem Wasser gefischt und in einer Steingutschale warmgestellt, deren geschwungener Rand schon ein paar Macken hatte. Großmutter nickte zufrieden. „Da braucht man eigentlich kein Fleisch dazu“ meinte sie schmunzelnd. „Möchtest du Käsespätzle morgen?“.

Ja, morgen machen wir Käsespätzle. Wir nehmen uns die Zeit dazu. Und wenn wir dann zum Abwasch alleine in der Küche stehen, und eins ums andere Mal das Geschirr im milchigen Wasser schrubben, dann werden wir uns in Erinnerungen verlieren. Der kleine Sohn freut sich schon darauf. Der Enkel auch.