Driving home for Christmas –
gerne auch mit der Bahn
Für den Teig
- 500 g Mehl
- 250 g Puderzucker
- 75 g Kakao
- 2 Eier
- 350 g Butter
- 2 EL Rum
- 1 TL Zimt
- 1 Prise Salz
Für die Füllung
- 125 g Marzipan
- 1 Eigelb (oder ganzes Ei, wenn Flüssigkeit fehlt)
- 100 g Mandelsplitter
- Ein paar EL Rum, je nach Belieben.
Rum und Puderzucker für die Glasur.
Geschichte
Beim Thema Weihnachtsgebäck dauert die Kindheit besonders lange. Das Fest
und alles was dazugehört ist ja auf die Ewigkeit hin angelegt. Kinder spüren so
etwas. Vielleicht ist es gerade der aus Kinderperspektive fast unendlich lange
Rhythmus eines Jahreskreises, der sich zu einer felsenfesten Gewissheit formt: Weihnachten
ist zwar selten, aber Weihnachten kommt wieder und mit ihm die Funken
sprühenden Wunderkerzen, das dreibeinige Schaf an der Krippe - und eben die Marzipanschnitten.
Mit den Jahren wird die gefühlte Zeit bis zum nächsten Fest kürzer, der
Zauberfaktor erreicht seinen Tiefstand, die Lieblingskekse aber bleiben. Es
folgt das erste „driving home for Christmas“: richtig zuhause ist man erst,
wenn man die Marzipanschnitten - dunkel, kantig, mit glänzender Rumglasur - in
der Tiefe einer Blechschachtel entdeckt hat und behutsam „reservieren“ konnte,
damit sie nicht etwa weniger nostalgischen Zeitgenossen zum Opfer fallen. So
vergehen zwei Jahrzehnte. Irgendwann fährt man nicht mehr „nach Hause“, sondern
„dieses Jahr zu meinen Eltern“, und
wieder Jahre später „zur Oma“. Ob es wohl Marzipanschnitten gibt?, war anfangs die bange Frage. Aber klar doch, sonst
wäre ja nicht Weihnachten! Die Oma kommt nicht mehr so viel aus dem Haus, die
Bandbreite der Keksauswahl wird kleiner, aber man sollte den mütterlichen
Instinkt nicht unterschätzen: die Mutti kennt die Lieblingskekse ihrer Kinder.
In all den Jahren wären wir nie auf die Idee gekommen, die Plätzchen selbst
zu backen. Erstens sind mütterliche
Rezepte uncool oder unverdaulich für die glutenfreie Freundin. Und zweitens gibt
es für Lieblingskekse ja im Eigentlichen gar kein Rezept sondern sie sind Teil
einer unvergänglichen Inszenierung. Die kann man nicht einfach nachbacken wie die
banalen Vanillekipferl oder Ausstecher, deren Backmischung wir im Notfall noch
googeln können wenn wir mit der Schürze am vorgeheizten Ofen stehen. So dachten
wir.
Erst jenseits der Vierzig ergreift uns eine Ahnung von der Endlichkeit des
Weihnachtsgebäcks. So wird langsam bewusst, was wir lange verdrängt haben: dass
das unendliche Lebensrad aus Umläufen besteht, wobei jeder für sich genommen vergänglich
ist und dass es daher jetzt an uns ist, den Lieblingskeks im kollektiven
Familiengedächtnis zu bewahren. Etwas einfacher ausgedrückt: der Sohn hat uns so lange genervt, bis wir
ihm versprachen, dass dieses Jahr auch die „Oma-Kekse“ aus eigener Produktion
in der Blechdose landen.
Schon im Sommer scannen wir also eine Rezeptseite, die gestalterisch aus
den schrägen Siebzigern kommt, allerdings eher aus der Burda-Ecke. Beim ersten
Lesen ahnen wir bereits, dass es schwer werden wird. Im Advent schreiten wir
zur Tat. Vom Kneten erschöpft, streicheln wir mit einer Mischung aus
Zärtlichkeit und Stolz über den kakaobraun glänzenden
Eins-Komma-Drei-Kilo-Mehl-Butter-Zucker-Ballen, verzweifeln als wir denselben
in akkurate Rechtecke wellen wollen, und spachteln meditativ die zähe
Marzipanmasse auf das teigige Fundament. Gottseidank gibt es ein reaktives
mütterliches Helpdesk, das über kritische Situationen hinweghilft – und Tage
später die ersten Marzipanschnitten der neuen Generation probieren darf.
Vielleicht war ja auch sie beruhigt zu wissen, dass es weitergeht. Irgendwie.
Auch ohne sie.
Es kommt das erste Jahr ganz ohne Helpdesk.
Zumindest ist es nicht mehr irdisch, jedoch in manchen Momenten noch zu spüren.
„Mit der Mutter geht unwiederbringlich die Kindheit“, sagte eine Bekannte beim
Abschied. Das nahmen wir zur Kenntnis. Richtig bewusst wird es aber erst, als wir
die ersten Marzipanschnitten aus dem Ofen nehmen.
Rezept
Butter, Eier, Zucker cremig rühren, übrige Zutaten unterkneten. Teig eine
Stunde kalt stellen.
Marzipan, Eigelb, Mandeln und Rum mischen. Die Hälfte des Grundteiges ½ cm
dick ausrollen und mit der Marzipanmasse bestreichen. Die 2. Hälfte im gleichen
Format ausrollen und auf die erste Hälfte legen. (An dieser Stelle bitte nicht
verzweifeln). Ränder zusammendrücken. Bei 180° 20 Minuten backen. Danach mit
Rumglasur bepinseln. Erkaltet in Quadrate schneiden.
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