Kellergeschichte


Sonderausgabe: ein kulinarischer Kurzkrimi von Wolfgang Urach

„Sie wünschen?“
Die Kellnerin war nicht das, was man eine Schönheit genannt hätte, ihr Bubihaarschnitt war ausgefranst (ungekämmt?); sie hatte eine runde Brille auf, die irgendwie zu nah an ihren Augen saß, so als ob ihr jemand das Gestell ins Gesicht gedrückt hätte.
„Äh, ich werde erwartet, ein Tisch für zwei Personen“, meinte der gut gekleidete Herr konfus.
„Eine Dame erwartet Sie?“ Die Kellnerin schob die Wangenknochen hoch, damit ihr ein Lächeln gelingen könnte, doch sie brachte nur eine höfliche Gesichtsanspannung hervor, nicht mehr. Die Brille bekam Seitenlage nach links, und der Gast befürchtete, dass sie herunterfallen könnte.
„Nein, ein Herr. Monsieur Lepelenc.“

Die Kellnerin marschierte los, ohne eine Antwort zu geben. Hin zur Treppe. Man hätte Angst bekommen können, dass sie diese hinunterfiel, denn die Frau stöckelte die so schnell Stufen herunter, tack-tack-tack, als ob sie um ihr Leben rennen würde.
Monsieur Martin stieg behutsamen Schrittes hinter ihr in den Keller.

Das Weinkellergewölbe war aus flachen, weißen Kalksteinen gemauert. Es umspannte die sieben Restaurant-Tische wie ein himmlischer Bogen, der ein wenig irreell erschien.
An dem einen Tisch saß ein älterer Herr, wahrscheinlich ein Tourist, in ein Wein-Lexikon vertieft. Ganz hinten in der Ecke saß ein Paar, das sich honigsüße Dinge zuflüsterte. Der größte Tisch war ein aus drei Einzeltischen zusammengestellte Tafel, auf der ein kleines, unscheinbares »Réservé«-Pappschild thronte.
Die Kellnerin war an einem anderen Tisch angekommen, der sich, vom Touristen aus gesehen, auf der anderen Seite des Gewölbes befand Ein äußerst beleibter Herr erhob sich: „Mon cher Albert!“
Albert Martin näherte sich dem Sprecher und gab ihm freundlich die Hand: „Es freut mich, Sie zu sehen, Monsieur Lepelenc!“
„Setzen Sie sich, mein Lieber! Wünschen Sie einen Aperitif?“, fragte Lepelenc mit jovial einladender Handgeste und setzte sich leicht stöhnend. Martin liess sich gehorsam nieder und hob fragend den Kopf zur hyperaktiven Kellnerin, die dann auch ohne ausdrückliche Frage anfing, ihren Aperitif-Katalog herunterzurattern: „Martini, Kir Royal, Pastis, Whisky, Porto, Gin, Wodka …“
„Einen weißen Martini, bitte.“
„Für mich einen Whisky, Fräulein.“
Dann wandte sich Monsieur Lepelenc seinem Gast zu: „Cher Albert, wie gehen die Geschäfte? Was macht die Arbeit? Das ist ja eine halbe Ewigkeit her, dass wir uns nicht gesehen haben.“
Trotz der höflichen Ansprache zuckte Monsieur Martin unmerklich zusammen. Ja, es war eine halbe Ewigkeit her, und diese hätte nach seinem Geschmack auch noch länger dauern können.
Er antwortete reserviert: „Danke der Nachfrage. Ach, Sie wissen ja, wie das ist. Die Verwaltungsmühlen drehen langsam und nicht so, wie sie sollen.“
„Höhö“, machte Monsieur Lepelenc, und sein Bauchgebirge bewegte sich auf und ab.
„Und wie geht Ihr Geschäft, Herr Lepelenc?“
„Ganz wunderbar, ich kann wirklich nicht klagen … der Umsatz stimmt, die Kunden sind …“
„Für wen war der Martini?“
Martin zeigte auf, und bekam das Martini-Glas fast auf die Fingerspitzen geschmettert. Auch das Whisky-Glas fand schnell seinen Kunden.
„Haben Sie gewählt?“ Und ohne den Herren eine Widerspruchsmöglichkeit zu lassen, hatte die eingedrückte Brille schon das Tablett abgestellt und den Kuli gezückt.
Schnack-schnack-schnack machte der auf dem kleinen Notizblock, als sie ihn ausprobierte.
„Nun, äh“, fing Martin verlegen an.
Lepelenc kam ihm zur Hilfe: „Nehmen Sie die Oeufs en meurette, danach den Flussbarsch in pikanter Senfsauce, dann die Käseplatte der lokalen Rohkäse, und als Krönung: das Délice der zwei Schokoladen in englischer Sauce ist wirklicher ein exzellenter Ausklang …“
„Nun ja, das hört sich sehr gut an“, überbrückte Martin.
„Für mich ebenfalls Oeufs, Barsch, Käse und das Délice der Schokoladen …“
Der Kuli verharrte: „Und zu trinken?“
„Rotwein?“, fragte Lepelenc seinen Tischgast.
Martin hatte natürlich keine Wahl: „Ja sicher.“
„Der Premier Cru Vosne Romanée, ich glaube, es war ein 1996er Jahrgang.“
„Ja sicher, Weingut Delosne, 1996er“, notierte der Servierblitz.
„Sehr gut.“
Lepelenc lehnte sich zurück, kippte sich den Rest des Whisky und fragte vertrauensvoll: »Und wie geht es Ihrer Familie, Ihrer Gemahlin?“
„Wir können nicht klagen“, entgegnete Martin höflich.
„Ihr Ältester steht schon im Studium, wenn ich mich recht entsinne.“
„Jaja, Fabrice will Architekt werden.”
„Wie sein Vater.“
„Naja“, räumte Martin ein, „ich habe ja nicht die kreative Ader meines Sohnes, deshalb hat’s bei mir nur zum Bauingenieur gereicht.“
In diesem Moment kam eine Gruppe von acht Personen, um den Haupttisch in der Mitte des Kellergewölbes zu besetzen.
„Aber, mon cher Albert, Sie haben es doch weit gebracht.“
„Naja …“
„Technischer Leiter des städtischen Bauamts, das muss Ihr Sohn erst mal schaffen.“
„Nun gut.“
Die übereifrige Kellnerin kam wie aus dem Nichts und hielt Lepelenc eine Rotweinflasche unter die Nase: „Vosne Romanée, Premier Cru, 96er, Gut Delosne.“
Lepelenc nickte zufrieden.
Mit der schrecklichen Effizienz einer Berufskellnerin ploppte sie die Flasche auf, bevor sich die beiden Herren versahen, und goss Lepelenc ein Viertel Glas voll.
Der dicke Gast ließ sich von der ungestümen Bedienung nicht anstecken, sondern führte in aller Gemütsruhe das Glas an seine Lippen.
Er schluckte andächtig, dann meinte er lapidar: „Etwas kühl, sonst in Ordnung.“
Die Kellnerin füllte die beiden Gläser und platzierte die Flasche auf den Tisch derart, dass beide Herren das Etikett der Flasche lesen konnten.
„Und Ihre Tochter, Albert, die müsste doch im Abitur stecken …“
„Sie hat es in diesem Sommer abgelegt … jetzt geht’s ans Studium …“
„Soso, und was will sie werden?“
„Weiß sie noch nicht, vielleicht Fremdsprachen-Sekretärin.“
„Ah, fremde Sprachen, ferne Länder, gut, sehr gut“, fasste Lepelenc in zur Schau gestellter Euphorie zusammen. Es trat eine kleine Gesprächspause ein.

Die Oeufs en meurette wurden gereicht, bevor diese Pause Lepelenc oder Martin verlegen hätte machen können.
Die Männer genossen schweigend. Minuten des Schwelgens, des Sinnens und des Genießens der burgundischen Köstlichkeit vergingen und wurden nicht durch überflüssige Worte unterbrochen.

Lepelenc schenkte Martin Wein nach.
„Und auf dem Amt? Neue Projekte?“
Martin hatte nur auf diese Frage gewartet. Er biss sich instinktiv auf die Lippen: „Lepelenc, das wissen Sie doch ganz genau …“
Der Servierwirbelwind flog heran und legte mit forciertem Lächeln das Hauptmenü auf.
„Barschfilet.“
Die Männer nickten.
„Ich wünsche Ihnen weiterhin einen guten Appetit“, sagte die Kellnerin und stöckelte davon.
Der Dicke fing wieder an: „Ja guten Appetit, Albert, da ist doch dieses Projekt ausgeschrieben …“
„Ja“, gab sich Martin geschlagen, „die neue Ausschreibung. Die Finanzverwaltung soll eine zentrale Klimaanlage bekommen.“
„Das soll eine große Anlage werden.“
„Jaja, viel zu groß, viel zu teuer, vollkommener Blödsinn“, entgegnete ihm Albert Martin.
„Wenn man unsere heißen Sommer bedenkt …“
„Die öffentlichen Kassen sind leer …“
„Nun, gut, Albert, Sie haben die Klimaanlage trotzdem ausgeschrieben.“
„Auf Anweisung.“
„Sie stehen nicht dahinter?“, stocherte der beleibte Tischnachbar nach.
„Hinausgeworfenes Geld.“
„Wird sie denn gebaut werden?“
„Das Geld … ist bewilligt.“ Martin schob sich seinen Barschfilet Bissen für Bissen in den Mund, um der Unterhaltung einen nachgeordneten Stellenwert zu geben.
„Hmm, hmmm“, machte Lepelenc. Natürlich kannte er Martins Antwort, bevor er seine Frage stellte.
An der großen Tafel hatte eine Festgesellschaft Platz genommen. Unter Rufen und Witzen bestellten sie den Aperitif.
Lepelenc nahm einen Schluck vom Vosne Romanée, bevor er einen neuen Anlauf nahm: „Das letzte Mal waren Sie aber nicht enttäuscht, von den technischen Leistungen meiner zentralen Klimaanlage.“
„Das … ist wahr“, meinte Martin zwischen zwei Happen.
„Mon cher Albert“, Lepelenc beugte sich zu seinem Tischgast vor, „mehr erwarte ich gar nicht. Sagen Sie nur, dass Lepelencs Klimaanlagen vollständig Ihren Erwartungen entsprechen. Das will ich, nicht mehr.“
„Natürlich, Sie meinen, das geht so einfach …“, wehrte Martin ab.
„Schauen Sie, Albert, das öffentliche Geld, wem gehört es eigentlich? Ihnen? Mir? Uns allen! Jetzt hat Ihr Chef entschieden, dass selbst die Pfennigfuchser Ihrer Finanzverwaltung so ein Ding bekommen! Natürlich ist es hinausgeworfenes Geld, das wissen Sie so gut wie ich, aber … Wen interessiert das? Meine Firma braucht diesen Auftrag. Legen Sie doch Ihr gutes Wort für mich ein …“, Lepelencs Stimme hatte sich gewandelt vom Befrager zum sentimentalen Bittsteller.
Ein nicht definierbares Grunzen scholl aus dem gefüllten Mund seines Gegenübers. Das sah Lepelenc als Zeichen der Ermutigung an: „Ihre Tochter braucht doch jetzt ganz Ihren Vater. Ich möchte Ihnen ein bisschen helfen, Albert. Schauen Sie, machen Sie einfach nur Ihre Arbeit und legen nur ein gutes Wort für mich ein …“
„Und ich soll einfach die immensen Reinigungs- und Wartungskosten Ihrer Anlage vergessen, Lepelenc?“
„Das ist doch bei meinen Konkurrenten genauso …“
„Das weiß ich nicht“, konterte Martin.
Lepelenc zog aus seinem Jackett einen Briefumschlag und legte ihn neben Martins Gedeck.
„Mon cher Albert, wir haben bisher so gut zusammengearbeitet, hier habe ich eine kleine Unterstützung für Ihre Tochter. 2000 Euro. Das sollte ihren Unterhalt in den ersten Studiumsmonaten begleichen. Es geht doch nur um die Zukunft Ihrer Tochter, Albert!“
Albert Martin legte zitternd das Besteck ab, er bemühte sich ganz offensichtlich, ruhig zu bleiben, dann sagte er, oder vielmehr, ein Räuspern war zu hören, dann meinte er fast unhörbar: „Le … Lepelenc, ich will Ihr Geld nicht.“
„Aber, aber“, antwortete Lepelenc ganz familiär, so als spräche er mit einem kleinen Kind, das eine kleine Dummheit gemacht hätte, „mon cher Albert, das ist doch nicht mein Geld, sondern das meiner Firma.“ Dann legte er wieder einen anderen Register ein: „Albert, lassen Sie mich doch nicht hängen, an diesem Auftrag hängen doch 20 Arbeitsplätze, das können Sie doch nicht verantworten, Albert. Wie in den guten alten Zeiten. Sie sagen als technischer Leiter, dass Sie unsere Anlage bevorzugen, nicht mehr, das ist doch ganz einfach …“
Der technische Leiter legte seine Handflächen fest auf die Tischplatte: „Ich … ich nehme Ihr Geld nicht, Lepelenc!“
„Martin, ich warne Sie“, gab Lepelenc scharf zurück, „jetzt lassen Sie mal Ihre Betulichkeiten beiseite. Ich bitte Sie um einen Freundschaftsdienst und möchte das Studium Ihrer Tochter ein wenig unterstützen.“
„Sie wollen mich schmieren“, meinte Albert Martin jetzt ruhiger.
„Mensch, Martin, jetzt spielen Sie nicht den Unschuldigen … So als ob Sie eine weiße Weste hätten“, kommentierte der Firmenchef schneidend.
„Es war ein Fehler, Ihr Geld anzunehmen“, gab Martin zurück.
„Es waren nur 2000 Euro, und die öffentliche Hand hat nicht darunter gelitten. Funktioniert meine Anlage oder nicht? Sagen Sie mir, Albert, habe ich gelogen?“
„Nein“, meinte Martin kleinlaut. „Sie funktioniert, aber die Wartungskosten …“
„Martin, hören Sie mit Ihrem Gejammer auf, stecken Sie das Geld ein, sagen Sie Ihrer Ausschreibungskommission, dass Lepelenc die beste Klimaanlage hat, und wir sind quitt.“
„Nein.“ Martin verharrte in seinen Bewegungen.
„Martin, ich weiß so viel über Sie“, drohte der Dicke. „Ich weiß, wo Sie wohnen, was Sie tun und lassen, machen Sie doch keine Dummheit!“
Langsam aber sicher erhob sich Albert Martin: „Ich hatte gehofft, dass unser Gespräch einen anderen Verlauf nehmen würde…“
„Wie? Was? Wollen Sie mehr?“ Auch der dicke Geschäftsmann erhob sich, und erstaunlich schnell und brüsk.
„Sie haben gar nichts verstanden“, der Stadtbeamte schüttelte den Kopf und schob den Umschlag zu Lepelenc zurück.
„Nun gut, wenn Sie es nicht anders wollen, Martin“, entfuhr es dem verletzten Stier, „dann mach ich Ihnen das Leben zur Hölle! Darauf können Sie Gift nehmen! So kommen Sie mir nicht davon! Lepelenc kennt nur Freunde oder Feinde! Und ganz offensichtlich sind Sie ins feindliche Lager übergelaufen!“
„Sie spinnen doch!“, meinte Martin niedergeschlagen und verließ den Keller ohne Gruß.

Er ließ den dicken Geschäftsmann sprachlos zurück.
Kaum war Albert Martin die Treppe nach oben gestiegen, nahm Lepelenc den Umschlag wieder an sich, wühlte in seiner Jackentasche und fischte sein Handy heraus. Er setzte sich hin und tippte auf die Wahlwiederholung seines letzten Anrufs. Er bekam sofort die Verbindung: „Ja, ich bin’s. Ja, er verlässt jetzt das Restaurant… - Nein, er wird zu Fuß gehen. Stadteinwärts. Richtung Place Bossuet. Er ist allein … - Jaja, ganz dicht. Er sollte euch aber erst bemerken, wenn ihr ihn in der Rue Bourg einholt… Nein, nicht lange fackeln, einfach ein paar auf die Fresse. Das wird ihn schon ruhig stellen. Wenn er protestiert, einen zwischen die Eier. Und nennt nicht meinen Namen. Ich warte auf euren Anruf.“ Er klappte das Handy zusammen; sein Gesicht nahm einen entspannten, zufriedenen Ausdruck an.

„Wie war noch gerade die Rufnummer für den Polizeinotruf?“
Lepelenc schaute um sich, doch es war keiner neben oder hinter ihm. Er musste sich geirrt haben, und seine Vorstellungsvermögen einen Streich gespielt haben.
„Was würden die Bullen dazu sagen, wenn sie diese Geschichte vom armen Monsieur Martin zu hören bekommen?“
Die Stimme war ganz dicht neben ihm. Lepelenc schaute vorsichtig nach rechts und links, aber da war kein Mensch zu sehen.
Er blickte durch den Keller. Die Turteltäubchen schäkerten noch am anderen Ende des Kellers an ihrem Tisch herum. Die Festgesellschaft schrie, lachte und trank um die Wette. Da war nur ein dritter Tisch mit dem einsamen Herrn auf der anderen Seite des Gewölbes, der jetzt aber nicht mehr in seiner Weinbibel blätterte, sondern Lepelenc freundlich anschaute.
„Ja, dieses Kellergewölbe hat eine erstaunliche Akustik. Ich war leider genötigt, Ihre ganze Unterhaltung mitzuhören.“ Der ältere Herr legte seine Weinbibel weg und lächelte dem dünnlippigen Lepelenc zu. Der Geschäftsmann erstarrte, als ihm klar wurde, dass die Stimme des Mannes durch die Gewölbeform ihm so nah vorkam, als ob der Mann neben ihm stehen würde.
Lepelenc erhob sich langsam; ihm kam sein ungeheures Körpergewicht diesen Abend noch mehr als Last vor. Er keuchte und begann zu schwitzen. Mühsam ging er die fünfzehn Schritte zum Tisch des einsamen Herrn.

„Fantastisches Essen“, meinte der ältere Herr, „nehmen Sie Platz, Herr … Herr Lepelenc, wenn ich richtig verstanden habe. Besonders die Crême Brûlée, sollten Sie auch versuchen, ganz fantastisch …“
„Jaja“, keuchte Lepelenc und sackte in einen Stuhl.
„Nur etwas teuer, das Essen meine ich“, fuhr der ältere Kellergast unbeirrt fort.
„Alles hat seinen Preis“, grunzte Lepelenc.
„Wie Recht Sie haben. Unglücklicherweise habe ich heute Abend mein Portemonnaie zu Hause vergessen. Wollen Sie mir aus der Bedrängnis helfen?“
Lepelencs Gesicht glich der in Mamor geschlagenen Ausdruckslosigkeit eines römischen Senators auf einem zweitausend Jahre alten Grabstein.
Endlich zog er seine Geldbörse aus der Hosentasche, glich die Rechnung in der Schale glatt, um den Betrag zu lesen, legte zwei 50 Euro-Banknoten darauf.
„Herr Lepelenc, denken Sie daran, dass ich gern noch einmal hier hinkommen möchte“, sagte sein Gegenüber freundlich.
Lepelenc schnaufte tief und legte zwei 100 Euro-Banknoten in die Schale.
„Wie oft möchten Sie mich wieder sehen?“ Der alte Mann lächelte gemein.
Lepelenc eingemeißeltes Gesicht zeigte keine Regung.
Schließlich erlöste ihn der andere: „Ich Sie auch nicht. Legen Sie noch mal 500 Euro dazu und ich vergesse, was ich heute Abend gehört habe.“
Lepelenc gab sich geschlagen. In Zeitlupentempo holte er den Umschlag hervor, öffnete ihn, entnahm fünf Scheine und legte sie in die Schale.
Der Mann hob das Glas: „Auf Ihr Wohl, Herr Lepelenc! Und … auf Nimmerwiedersehen!“
Lepelenc stand mühsam auf.
Die Kellnerin kam zum Abräumen: „Hat’s geschmeckt?“

Und noch ehe sich die beiden Männer sich versahen, hatte sie den leer gegessenen Teller der Crême Brûlée weggenommen und die Schale mit Rechnung und den 800 Euro geschnappt.
„Danke“, meinte sie im Davoneilen und stöckelte tack-tack-tack in Windeseile die Treppe hoch.

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